Ein Verrückter auf der Schleife. Foto: @rike67.nordschleife

Noch kurz dem Fotografen im Karussell zuwinken, dann die Lenkung öffnen und über die leichte Kuppe am Ausgang der legendärsten Kurve auf der Nordschleife hopsen. Vollgas. Und da ist er, der Mercedes-AMG A 45, gerade hinter der leichten Links im Aufstieg zur Hohen Acht verschwunden. Dich krieg ich. 
Was für eine Performance!
Das Radio im Fiesta ST ist aus, ich höre den Turbolader zischeln, den Auspuff röhren, Geböller beim Schalten in den vierten Gang. Die Links geht fast voll, ich lupfe nur leicht das Gaspedal. Anbremsen für die Links-Rechts-Kombination, an der Maxi Götz seinen AMG GT3 beim 24h-Rennen geschrottet hat. Dritter Gang. Zick-zack. Streckenabschnitt Hedwigshöhe. Brutal, wie der ST selbst bei Temperaturen von mehr als 25 Grad vorwärts marschiert. Wippermann. Eschbach. Kurbs mitnehmen. Der ST: kurzfristig ein Zweirad. 
Im Brünnchen bin ich schon an ihm dran, am 381 PS starken AMG. Am Abhang von Pflanzgarten 2 überhole ich ihn innen, bedanke mich fürs Vorbeilassen. 190 km/h, 200 km/h. Anfahrt Schwalbenschwanz. Lange Rechts, gefährlich. Dann geht's linksrum ins Mini-Karussell, noch ein kleiner Hüpfer. Klonk. Ich gehe vom Gas, rolle durch den Galgenkopf, Fenster auf. 
Wow. Ganz ehrlich? Das war erst die zweite Nordschleifenrunde mit dem Fiesta ST - und schon jetzt eine meiner besten: Flüssig, affenschnell (Zeit? Keine Ahnung; geht man nach der Uhrzeit, dann deutlich weniger als neun Minuten BTG). Besser als Geburtstag und Weihnachten zusammen.

Mal eben im Karussell dem Fotografen "Hallo" sagen. Foto: @tourifotos.de

Volles Vertrauen - ab der ersten Runde
Es geht nicht um die Rundenzeit, sondern um was anderes: Spaß. Und das macht der Ford Fiesta ST! Und zwar dermaßen, wie ich es nicht für möglich gehalten hätte. Nicht nur, dass er im Alltag mit Dingen wie einem niedrigen Verbrauch brilliert, nein, er kann auch und er kann vor allem Rennstrecke. Wie? Zum einen wiegt der Fiesta erfreulich wenig, rund 1.250 kg sollten es sein. Kein Fliegengewicht wie der Suzuki Swift Sport, aber auch fahrdynamisch eine andere Klasse. Zum anderen kann der Fiesta seinen Charakter ruckzuck ändern: zurückhaltend im normalen Leben, wild bei sportlichem Einsatz. 
Es ist die Kombination aus Fahrwerk, Bremse und Lenkung, die den Fiesta so extrem einzigartig macht. Natürlich hat auch der Dreizylinder mit 200 PS seinen Anteil daran, aber 200 PS oder mehr haben viele Autos - so agil wie der Fiesta ST fahren nur ganz wenige.

Der ST an der ED Tankstelle Döttinger Höhe. Foto: Roman Domes

Bissig, beim Lenken und beim Bremsen
Das Fahrwerk im Fiesta ST arbeitet nicht adaptiv, sondern frequenzabhängig. Bedeutet: Die Dämpfer verhärten, sobald sie beansprucht werden, wie zum Beispiel bei einer Fahrt auf der Nordschleife. Ein besonders Schmankerl sitzt an der Hinterachse und nennt sich "Force Vectoring Springs", also kraftverteilende Federn. Diese Federn sind leicht gekrümmt und sollen so Querkräfte besser verarbeiten können. Vorteil: So kann man auf ein Watt-Gestänge verzichten, dass die beiden Hinterräder miteinander verbindet und spart so Gewicht. 
Der Unterboden ist größtenteils verkleidet, das stabilisiert den Fiesta ST bei hohen Geschwindigkeiten. So, genug Technik-Blabla. Wie macht sich das Fahrwerk auf der Strecke?
Der größte Unterschied zum Z4 liegt in der Verbindlichkeit von Lenkung und Fahrwerk. Heißt: Der Fiesta ST überrascht dich mit hoher Präzision, sowohl beim Einlenken, als auch in der Kurve und danach. Anfahrt Aremberg: Nach dem mittlerweile halbwegs geglätteten Schwedenkreuz-Hubbel (never lift!) folgt eine sehr schnelle Linkskurve. 
Im Z4 ist die nicht besonders spaßig, weil ich auch nach deutlich mehr als zehn Runden noch immer nicht weiß, wie schnell ich sie nehmen kann. Problem: Lenkung und Fahrwerk - beides fühlt sich an dieser Stelle etwas luschig an, in der Karosserie ist etwas viel Bewegung. Anders im Fiesta ST: Sein Fahrwerk sagt dir zu jedem Zeitpunkt, welche Reserven du noch hast - und ab wann der Grenzbereich beginnt.

Ein Fronttriebler kann nicht sportlich sein? Hier der Gegenbeweis. Foto: @rike67.nordschleife

Der Ford Fiesta ST ist ein Paradebeispiel für ein Fahrerauto
Die Arembergkurve an sich bremst du außen an, suchst dir deine Linie und schaust, dass du nicht zu weit auf die Kerbs rausgetragen wirst. Bremse? Absolut verlässlich, auch nach 20,83 Kilometern harter Beanspruchung. Die Bremse spricht auf den ersten Zentimetern Pedalweg recht bissig an, lässt sich aber nach einer Eingewöhnungsphase dennoch gut dosieren. Zum Ende einer Runde erweicht das Pedal minimal, aber den Vorwurf, dass die Bremse "Mist" sei, kann ich jetzt so nicht unterschreiben.
Einlenken in die Aremberg-Rechts: Die Lenkung im ST ist so präzise, die Vorderachse so verlässlich, dass du den 180-Grad-Bogen locker-easy mit 90 km/h und mehr nehmen kannst, kaum nachlenkst und früh wieder auf den Pinsel latschen kannst. Das zieht sich über die ganze Runde. Ich kann mich nicht erinnern, mit dem Zeddi in der Fuchsröhre schneller als 200 km/h gewesen zu sein - im Fiesta schon. 
In langsamen Kurven, etwa Adenauer Forst oder Wehrseifen schwenkt der ST schon mal sein Heck raus oder fährt als Dreirad durch die Kurve. Genial. Vielleicht gibt's so den ein oder anderen Code-Brown-Moment, aber sobald du merkst, dass du nur leicht gegenlenken und Gasgeben musst, beginnst du, mit dem Auto zu spielen. Und Spielen macht Spaß! Auch mit "nur" 200 PS. 
Stellt sich nur die Frage: Wer ist denn nun der Daily Driver und was ist das Spaßauto für meine zwei-drei Nordschleifenausflüge im Jahr? Uff.

Im Schatten der Nürburg: der Ford Fiesta ST und 1 Schäfchen. Foto: Roman Domes

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