Schwalbenschwanz, Camping, Nürburgring, Roman Domes

Herrlich: Camping am Nürburgring, hier der Abschnitt Schwalbenschwanz. Foto: Roman Domes

Für Menschen, die Motorspocht atmen, ist der Landkreis Bad Neuenahr-Ahrweiler mit den Örtchen Adenau, Nürburg und Herresbach ein echtes Paradies. Zwei Mal im Jahr verwandelt sich die Nürburgring-Nordschleife in ein mehr als 20 Kilometer langes Festival-Gelände. Einmal zu "Rock am Ring" - eh klar. Und das andere Mal beim 24h-Rennen, dem wohl anspruchsvollsten Langstreckenrennen der Welt. An beiden Festivitäten wird gecampt, was das Zeug hält. Und obwohl Hotels wie das Lindner oder Dorint ja schon ganz okay sind, geht nichts über fünf bis sechs Tage im Zelt, im Transporter oder im Wohnmobil. Und ich sage euch, warum.
Camping, Nürburgring, Schwalbenschwanz, N24H, 24h-Rennen

Du hupst, wir trinken. Foto: Roman Domes

1. Das 24h-Rennen als Veranstaltung an sich
Seit 1970 gibt es das 24h-Rennen auf dem Nürburgring - quasi als Gegenentwurf zu elitären Veranstaltungen wie der Formel 1. Insgesamt 96 Teams gingen 1970 an den Start. Mit dabei waren nicht nur Profis wie Hans-Joachim Stuck, sondern auch viele Amateure, die mal ein Langstreckenrennen bestreiten wollten, Motorsport on a budget. Dazu passt das Camping perfekt. Simpel, vergleichsweise günstig, original. Und so nah wie beim Campen kommt man der Nordschleife in keinem Hotel. 
Heute fahren zwar keine Amateure oder Semi-Profis mehr um den Sieg, sondern ausgebildete, werksunterstützte Rennfahrer und Teams wie Manthey-Racing. Die Top-Teams reißen die Nordschleife plus Teile des Grand Prix-Kurs in kaum mehr als acht Minuten runter. Irre.
Richtige Publikumslieblinge sind nach wie vor kultige Autos wie der Opel Manta von Volker Strycek oder der alte Z4 GT3 von BMW, der 2019 leider zum letzten Mal dabei war.

2019 war das letzte Mal für den legendären BMW Z4 GT3 von Peter Posavac. Foto: Roman Domes

2. Die Vorbereitungen zum N24H sind Kult
Und das geht schon vor dem Einkaufen los: Wer besorgt die Tickets? Wer kann überhaupt mit? Schafft es diesmal jeder, rechtzeitig Urlaub einzutragen oder die bessere Hälfte davon zu überzeugen, dass fünf Tage voller Bier, Blödsinn, Steaks und Salami-Sticks nicht das Ende der trauten Zweisamkeit bedeuten? Natürlich nicht. Es gibt immer mindestens einen Ausfall zu beklagen. 
Sei's drum, der Blick der Supermarktverkäuferin ist jedes Mal für die Galerie, wenn sie knapp 50 Packungen Salami-Sticks über die Kasse zieht. 

Keine Angst, der Kasten Oettinger beherbergt nur Limo. Foto: Roman Domes

Dazu kommt dann noch die legendäre Auswahl fränkischer und bairischer Biersorten, meistens Helles, für seltsame Personen auch mal Pils. Gelagert wird das ganze in einem dunklen Keller, der früher für etliche LAN-Partys genutzt wurde.
3. Egal ob Daily/Transit/Boxer - hauptsache zur Schleife!
Die ersten beide Jahre (2013 und 2014) sind wir mit zunächst einem, dann mit zwei Autos und einem Hänger gefahren. Mittlerweile nutzen wir einen Transporter der Klasse V4, also einen Sprinter mit langem Radstand, ihr Amateure. Sowas weiß doch jeder. Dort packen wir am Abend vor der Abreise alles rein. Alles. Matratzen, Taschen mit Kleidung für alle Jahreszeiten (wirklich!), Generatoren, Bier, Essen, Lampen, Badminton-Set, das man eh nicht benutzt, Klopapier, Zewa, Gummistiefel, Cetirizin, Panzerfaust.
Eigentlich ganz egal, ob man mit mehreren Autos anreist oder mit einem Transporter. Der Weg ist das Ziel. Während man als Fahrer schon bis Würzburg am liebsten 29 Bier gekippt hätte, steigt die Laune, je näher man der Schleife kommt - auch ohne Bier, das die Mitfahrer natürlich literweise konsumiert haben, bis wir in den Dunstkreis des Nürburgrings kommen. Frankfurt. Koblenz. Mendig. Maria Laach. Dann die Autobahnausfahrt Wehr. Träumchen, während aus dem grottigen Autoradio Perkeles "Heart full of Pride" hämmert. Der Weg von der Autobahn zur Schleife sieht dann so aus:

Vorfreude wäre untertrieben. Am Ende: Einfahrt zum Schwalbenschwanz. Credit: Roman Domes

4. Das erste Mal fühlt sich immer komisch an
Sie hatten ja mit allem gerechnet, aber nicht mit unserer Widerstandsfähigkeit. Damals, 2013, als drei Studenten zum 24h-Rennen am Nürburgring kamen, sah das Wetter am Rennwochende düsterer aus als die Meisterschaftsprognose von Bayer Leverkusen. Regen, Sturm, Gewitter. Temperaturen um zehn Grad - tagsüber. Nachts waren es teilweise weniger als drei Grad. 
Es war so arschkalt, dass sich unsere Campingnachbarn aus Detmold, Lippe und Bielefeld (jaja, natürlich) sicher waren: "Die Jungs sehen wir nie wieder!" Falsch gedacht. Die Jungs aus Franken hatten Gefallen am Campen gefunden, sogar im Zelt, sogar bei winterlichen Temperaturen, die ersten beide Tage sogar ohne Gummistiefel. Dazu kam die lächerliche Ausrüstung. Wir hatten zwar einen Generator dabei, aber nur eine Kühlbox, keinen Kühlschrank. Vorteil: Nachts war es so kalt, dass es im Kühlschrank wohl wärmer gewesen wäre als draußen. Eigentlich haben wir den Generator nur gebraucht, um unsere Handys zu laden. Bitter. Andererseits wäre so ein perfekt ausgeliehenes Wohnmobil ja auch langweilig gewesen.

Im zweiten Jahr waren wir schon besser ausgerüstet. Zum Beispiel mit einem zweiten Pavillon, einem Kühlschrank, einer Kaffeemaschine und einem Wasserkocher. Foto: Roman Domes

5. Einrichten wie die ... äh ... Profis?
So richtig freut man sich natürlich nicht auf den Aufbau des XXL-Pavillons, den wir uns mittlerweile angeschafft haben (danke, Sash!). Meistens war man zu diesem Zeitpunkt schon rund sechs Stunden unterwegs und möchte eigentlich nur noch Bier konsumieren. Aber wat mutt, dat mutt. Also los. Meistens unter dem Gelächter unserer Nachbarn, die natürlich schon vor uns da waren und nur dann mithelfen, wenn es wirklich Not tut.
Während wir unsere mangelhaften handwerklichen Fähigkeiten beweisen, rattert im Hintergrund schon oft der Generator. Der Kühlschrank muss schleunigst in Betrieb genommen werden. Bier und Fleisch mögen es kalt. Und irgendwann steht dann auch der Pavillon mitsamt seiner Inneneinrichtung: Alukiste mit Vorräten, Holz zum Verschüren, Kühlschrank, Wasserkocher, Kaffeemaschine Klappstühlen, Klapptischen und Baustrahler als Beleuchtung. Ab und zu rollen wir sogar einen alten Teppich aus. Richtig wohnlich wird es nie - auch nicht im Transporter. Aber chillig.

Unser Heim: der Laderaum eines großen Transporters. Foto: Roman Domes

6. Die Strecken-Erkundung. Mit Bier.
Wir haben bisher auffällig wenig über die Location an sich gesprochen, die legendäre Nürburgring-Nordschleife. Beim 24h-Rennen campen wir - wie gehabt - am Schwalbenschwanz. Zum Zuschauen richten wir uns am Sprunghügel vom Pflanzgarten 2 gemütlich ein. Pavillon, Campingstühle, genug Proviant, genug Bier. Manchmal ein kleiner Grill. Perfekt. Einziges Problem: Es gibt keine Pommes! Irgendwann kamen wir auf die Idee, einfach mal mit unserem Bier in der Hand zum Imbissstand am Pflanzgarten 1 zu "wandern". Irgendwann wurde dann daraus eine echte Wanderung - bis zum Karussell. 

Bierpause an der Steilstrecke. Foto: der Tech

Für das Top-30-Qualifying wandern wir in die andere Richtung - zum Galgenkopf. Dort hat man eine besonders gute Sicht auf die Strecke, weil kein FIA-Zaun die Sicht blockiert. Das Top-30-Quali markiert den Abschluss aller Renn-Aktivitäten auf der Strecke am Freitag. Danach dürfen die Fans auf die Strecke und Teile der legendären Nordschleife zu Fuß, mit dem Tretroller oder mit dem rollenden Bierkasten erkunden.

Blick aus dem Mini-Karussell. Foto: Roman Domes

7. Die Nächte am Feuer
Was bei einem guten Camping-Abenteuer nicht fehlen darf, sind einerseits das exzessive Grillen und andererseits die Abende und Nächte am Lagerfeuer. Stilecht in einer alten Waschtrommel oder stylisch als Schwedenfeuer. Dazu läuft Rammstein, Betontod, die Broilers oder Iron Maiden und Metallica. Je später der Abend, desto der höher der Pegel, desto eigenartiger wird auch die Musik. Stichwort: Die Kassierer. Im Hintergrund das Gestotter der Generatoren, das Explodieren der Feuerwerkskörper, das Knistern des Feuers. Chillig.

Wie ramontisch. Foto: Roman Domes

8. Der Abschied von der Schleife
Es ist doch eigentlich immer so mit dem Urlaub: Kaum ist man auch geistig angekommen, neigt er sich schon wieder dem Ende. Wobei das mit dem geistig ankommen und unserem Bierkonsum, ach, auch egal. Die Nacht von Samstag auf Sonntag ist meistens die längste. Bis um 1 Uhr morgens an der Strecke - das Rennen läuft ja. 
Dann noch ein gemütlicher Snack am Lagerfeuer, ein paar Stunden auf dem Tablet Scheinwerferkegel und Rücklichter der um die Führung kämpfenden GT3-Renner bestaunen, dabei kurz wegpennen, wieder aufwachen, noch ein Kippchen drehen. Irgendwann dann Zähne putzen (immer!) und in den Transporter kriechen oder fallen. 
Am nächsten Morgen, respektive Mittag sind viele Nachbarn schon am Abbauen, der volle Campingplatz leert sich. Eigentlich komisch, denn das Rennen läuft ja noch. Wir bleiben bis zum Schluss - ich glaub, bisher sind wir erst einmal ein paar Minuten vor Zieleinlauf abgehauen. Wenn das Rennen vorbei ist, grillen wir noch einmal ganz entspannt - dabei kommt es schon mal vor, dass wir die letzten sind, auf dem Campingplatz, den einen Tag zuvor noch tausende Fahrzeuge, Zelte und Bierkästen säumten.

Last Van Standing. Foto: Roman Domes

Wenn der letzte Rennwagen vorbeigefahren ist, das letzte Intervention-Car die Strecke geprüft hat, dann überfällt mich immer ein leichtes Gefühl der Wehmut. Wieder ein Jahr warten bis zum nächsten 24h-Rennen. Zum Glück bin ich häufiger in der Eifel, die Nordschleife kann man ja auch selbst erfahren - mit dem eigenen Kfz, das ja meistens kein Rennauto ist.
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