Ramontisch: der Porsche 981 Cayman GT4 im Sonnenuntergang. Foto: Roman Domes

Niemand hat eine Chance, seinem Charme zu entkommen, obwohl oder gerade weil seine Methodik, andere zu bezirzen, fast schon antik ist: geduckte Silhouette, einstellbarer Heckflügel, Sechszylinder-Saugmotor, Handschaltung. Man muss kein Autonarr sein, um sich von ihm den Hals verdrehen zu lassen: der Porsche Cayman GT4 (981). Das erste GT-Modell in der mittlerweile mehr als etablierten Familie von Boxster und Cayman, lange belächelt, und vielleicht heute der bessere, weil puristischere Porsche-Sportwagen.
"Wir haben genau auf die Differenzierung von Cayman und 911 geachtet."
Diese Worte stammen von Ex-Porsche-Chef Wendelin Wiedeking. Man mag von ihm halten, was man will; die einen sagen, ohne ihn würde Porsche heute nicht mehr existieren. Die anderen sehen in ihm einen größenwahnsinnigen Manager, der uns den Spiegeleier-911 gebracht hat und dann auch noch VW übernehmen wollte. Egal. Er hat uns die Mittelmotor-Sportwagen Boxster und Cayman beschert. Danke dafür. 

Der Porsche Boxster der ersten Generation (986). Foto: Porsche

Das erste Hardcore-Modell: der Cayman R (987). Foto: Roman Domes

Die ersten Jahre waren hart für den Porsche Boxster der Generation 986. So richtig ernst nehmen konnte ihn im Schatten aller 911 zunächst niemand, obwohl er schon damals prächtig fuhr und mit seinem Boxer-Saugmotor so klang wie ein Porsche eben klingen muss. Als 2005 der erste Porsche Cayman auf den Markt kam, war es noch ein langer Weg zum GT4. Zunächst zeigte der Cayman R, zu welchen fahrdynamischen Leistungen der "günstige" Porsche imstande war.
2013 wurden Boxster und Cayman mit der Generation 981 - meine Meinung - zu vollwertigen Porsche-Modellen. Kein Sparzwang war mehr erkennbar, die Karosserie bekam noch mehr Eigenständigkeit. Für mich sind die Modelle der Baureihe 981 die schönsten Caymans; die neuen 718 sehen für mich zu glattgebügelt aus.

Techart-Porsche Boxster (981). Foto: Roman Domes

Und der Porsche Cayman GT4 (981c). Foto: Roman Domes

Kein Turbo, keine Automatik im Cayman GT4 (981)
Während der Techart-Boxster oben im Bild mit dem Porsche Doppelkupplungsgetriebe (PDK) unterwegs war, gab es den 981 Cayman GT4 nur mit Handschaltung. Das soll sich mit dem aktuellen 718 ändern; hier soll auch der GT4 optional ein PDK bekommen. Ich gehe mal davon aus, dass sich Porsche so einen höheren Absatz erhofft, auch wenn es das bisherige GT4-Image etwas verwässert. Kurzum heißt das: Siehst du einen 981 Cayman GT4 auf der Straße, ist es garantiert ein Handschalter. Und was für einer.
Schon beim Einsteigen, vor dem Anlassen, merkst du: Die Kupplung tritt sich relativ schwer, kein Vergleich zu Fahrzeugen wie meinem Ford Fiesta ST oder dem Z4 Coupé. Bei dem fühlt sich das Durchtreten des Kupplungspedals eher so an, als würdest du in einen großen Schwamm reinsappen. Beim GT4: wie eine Beinpresse mit 30 Kilo Gewicht. Nice.

Im Cayman GT4 (981) knurrt der 3,8-Liter-Boxer aus dem Porsche Carrera S (991.1). Foto: Roman Domes

Den Zündschlüssel steckst du noch rein ins Schloss links vom Lenkrad, drehst ihn um, genießt das Knurren, das der Motor von sich gibt. Der 3,8-Liter-Boxer-Sechszylinder-Sauger (wow, was für 1 Wort-Konstruktion) im Porsche Cayman GT4 stammt aus dem Carrera S (991.1) und leistet 385 PS und maximal 420 Nm Drehmoment. 15 PS fehlen ihm auf den Elfer - die längere Abgasanlage klaut hier einen Teil der Leistung. Egal - und auch einer der Gründe, warum der Cayman GT4 so viel Spaß macht.
Leistung ist nur zweitrangig
Der GT4 ist nicht zu krass, nicht so irre wie ein GT2 RS, aber auch klar schwächer als ein BMW M2 Competition. Im Drag-Race könnte es für den GT4 eng werden. Was auch am extrem lang-übersetzten zweiten Gang liegt; bis ca. 125 km/h fährst du damit. Danach, im dritten und vierten Gang, passt die Übersetzung wieder. Trotz allem ist der GT4 sauschnell, du genießt den Motor, wenn er kreischt und sägt, klickklackst den Schalthebel in die nächste Gasse - aber mit Nachdruck, bitte. Nicht ganz ohne, aber Teil des Erlebnisses. Die Interaktion mit dem Auto ist beim GT4 verpflichtend, du musst! So einen Automatik-Elfer kannst du auch völlig entspannt fahren, er macht dir keine Arbeit, der Cayman schon.
Deshalb ist der GT4 auch nichts für, sorry, dummes Geradeausballern. Rennstrecken und Kurven - das ist, was er braucht. Die Vorderachskonstruktion stammt aus dem Porsche 911 (991.1) GT3: Unibal-Gelenke, Bilstein-Dämpfer, Federn. Die Hinterachse ist eine Neukonstruktion. Hat der normale Cayman S noch reichlich Komfort für seine Insassen übrig, schert sich der GT4 (fast) nur um seine Fahrdynamik.

Guck, guck: Beim 981er GT4 gab es noch kein Voll-LED-Licht, nur Xenons. Foto: Roman Domes

Zentraler Drehzahlmesser, konfigurierbares digitales Rundinstrument. Foto: Roman Domes

Weiteres Indiz: die Lenkung. Sie ist zwar nicht hydraulisch, sondern elektromechanisch, aber ich verstehe das Rumgejammer nicht - zumindest bei Porsche. So feinfühlig, so präzise wie die Servo-Lenkung im GT4 (oder in allen neueren Porsche-Modellen) arbeiten nur ganz wenige hydraulische Systeme. Die Lenkung im 997 GT3 fühlt sich nicht ganz so mit den Handflächen verwachsen an wie sie das im GT4 tut. 
Auf die Größe und das Gewicht kommt es an
Apropos GT3: Obwohl der GT4 mit Außenspiegeln so breit ist wie der 991.1 GT3 (klar, gleiche Vorderachse und so) - fühlt er sich beim Fahren doch deutlich kompakter an. Was mich zum nächsten Punkt bringt: Größe und Gewicht. Auch hier ist er fast perfekt, der Cayman GT4. Du steigst ein, fährst ein paar Meter und hast sofort ein Gefühl für die Größe des Autos. Das hilft dir enorm, wenn du es vor der Kurve oder *hust* einem Kreisverkehr *hust* positionieren willst.
So ganz ausgetrieben haben sie bei Porsche dem Cayman das Lastwechsel-Übersteuern nicht, aber im Normalfall hält sich das in Grenzen. Gleichzeitig grinst du natürlich, wenn das Heck leicht schmiert, und du die Lenkung früher öffnen kannst. Ein Traum. Mit knapp 1,4 Tonnen (mit Fahrer) wiegt er kaum mehr als ein Cayman GTS mit 3,4-Liter-Motor. Weniger geht natürlich auch: Man hätte auf Klimaanlage und Infotainment verzichten können. Hätte knapp 15 Kilo gespart. 
Aber irgendwie muss man ja auch zur Rennstrecke kommen, von München sind es zum Beispiel 6-7 Stunden zur Nordschleife. Ohne Musik und, jetzt im Sommer, ohne Klimaanlage? Alter ne. Ganz sicher hätte ich beides bestellt, selbst als größter Leichtbau-Befürworter.

Sexy Back: Auch Nicht-Kenner dürften beim Anblick des Flügels ahnen, ...

... dass es sich hierbei um einen besonderen Cayman handelt. Fotos: Roman Domes

Mittlerweile sogar (fast) erschwinglich
Ich hatte letzten über meinen Fiesta-Service geschrieben, der mit fast 500 Euro so teuer war wie eine Inspektion bei Porsche. Natürlich geht es bei Porsche noch deutlich teurer. Immerhin hat sich die Preisblase beim Cayman GT4 (981) verkleinert, jetzt, da der Nachfolger vorgestellt wurde und alles besser macht - außer Sound (wegen Partikelfilter) und Gewicht (auch wegen Partikelfilter und noch ein paar anderen Sachen).
Wurden die Porsche Cayman GT4 (981) noch bis vor etwa ein bis zwei Jahren um 100.000 Euro gehandelt und damit gebraucht zum Neupreis verkauft, liegen genau jene Exemplare heute klar darunter. Mit rund 75.000 bis 85.000 Euro ist man dabei. Das ist immer noch unglaublich viel Geld für Normalsterbliche. Und es gibt ein paar Dinge zu beachten beim Kauf. 

I'm lookin' at you, kid. Foto: Roman Domes

Darauf sollte man beim Kauf eines Porsche Cayman GT4 (981) achten
Zum einen sollte man niemals (!) einen gebrauchten Porsche mit Keramik-Bremsen (PCCB) kaufen, außer Geld spielt wirklich keine Rolle. Die Keramik-Bremse bremst auch nicht besser als die normale Stahl-Bremsanlage, sie wiegt nur weniger und leitet Hitze besser ab. Wobei "besser" hier absolut irrelevant ist, außer man möchte 24 Stunden nonstop in Hockenheim fahren. 
Hin und wieder sieht man auf den üblichen Portalen Cayman GT4 mit den "normalen" Sportsitzen. Ein Witz. Die Sportsitze in meinem Fiesta ST halten dich besser auf der Sitzfläche als dieses Gestühl. Wer bestellt sich den bis dato schärfsten Cayman aller Zeiten und sagt sich dann: "Ach ne, die Sitzschalen aus dem 918 Spyder sind mir zu teuer. Ich nehm lieber die aufpreisfreien Sitze, die mir soviel Seitenhalt geben wie eine Kirchenbank"?
Schwachstelle GT4-Getriebe
Eine Schwachstelle des Porsche Cayman GT4 gibt es laut einigen Foreneinträgen auch: Und es ist ausgerechnet das Getriebe. Das Problem äußert sich wie folgt: Beim Schalten vom zweiten in den dritten Gang ist plötzlich kein Kraftschluss mehr vorhanden, also dreht der Motor ins Leere. Laut PFF und rennlist sind vor allem Fahrzeuge des Baujahres 2016 betroffen. 
Auch der Übergang von Gang 1 auf Gang 2 kann bei einigen Fahrzeugen hakelig sein und sich mit ungesunden Geräuschen äußern. Eine Justierung der Schaltkabel-Führung beim Porsche-Spezialisten kann helfen.
Fazit
Keine Frage: Der Porsche Cayman GT4 (981) ist ein Spielzeug für Hobby-Rennfahrer. Seine Alltagsfähigkeiten sind trotz zweier Kofferräume beschränkt. Aber er möchte ja auch kein Daily-Driver sein, so wie das mein Fiesta ST großartig hinbekommt. 
Für sich gesehen ist der Cayman GT4 schlicht und ergreifend DER Sportwagen im Porsche-Portfolio, sei es als 981 oder als 982 (718). Er ist nicht ohne Makel und auch nicht ohne Schwachstellen, aber das Gesamtpaket stimmt, und mittlerweile auch fast der Preis. Wenn ich mich entscheiden müsste zwischen Cayman GT4 und 911 GT3 - ich würde wohl den Cayman nehmen. Aber nur mit Schalensitzen. Und ohne Keramikbremse.
Technische Daten: Porsche Cayman GT4 (981)
Fahrzeug:
Typ: zweisitziges Coupé
Motor:
Typ: wassergekühlter Sechszylinder-Boxer-Saugmotor
Hubraum: 3.800 ccm
Verdichtung: 12,5:1
Leistung: 283 kW (385 PS) bei 7.400/min
Drehmoment: 420 Nm bei 4.750-6.000/min
Höchstdrehzahl: 7.800/min
Gewichte:
Leergewicht (DIN): 1.340 kg
Leergewicht (EU): 1.415 kg
Fahrleistungen:
0 - 100 km/h: 4,4 s
Vmax: 295 km/h
Nürburgring-Nordschleife: 7:42 min
Kleiner Kurs Hockenheim: 1:10,1 min

Preise:
Grundpreis (2015): ca. 85.000 Euro
Preis heute (2020), gut ausgestattet, ca. 25.000 km: ca. 85.000 Euro

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