Alle Fotos: Roman Domes

Kann keine 300 kW: Der Honda E beim Fastned-Charger in Kinding.

Schon erstaunlich, was in den letzten beiden Jahren autotechnisch alles bei mir passiert ist: Da wäre zum einen der 2019er Ford Fiesta ST, ein fabelhaftes Auto ohne konkrete Schwächen; zum anderen das BMW Z4 Coupé, ein echter Klassiker und in Deutschland fast so selten wie effektive Klimapolitik bei den Grünen. Und da gab es ja noch das Kurzzeit-Intermezzo mit dem Honda Civic Type R FK2, eine eiförmige Klapperkiste mit 310 PS, die dir beim Beschleunigen die Ohren langzieht. Alles Geschichte. ​​​​​​​
Ford Fiesta ST
Ford Fiesta ST
Honda Civic Type R FK2
Honda Civic Type R FK2
BMW E86 Z4 Coupé
BMW E86 Z4 Coupé
Nach 15 Jahren Verbrennungsmotor habe ich Anfang 2022 den Wechsel gewagt; zum Elektroauto. Erstaunlich, wie leicht mir letztendlich die Entscheidung gefallen ist. Bereut habe ich sie bisher noch nicht. Obwohl vieles langsamer geworden ist, aber nicht alles.
Erkenntnis #1: Schneller war bisher keiner.
Plattitüden zur E-Mobilität gibt es genug. „Oh, so leise“ oder „Stinkt ja gar nicht“. Und immer wieder sehen wir uns mit den konstruierten Traumwelten der Hersteller konfrontiert, etwa dem „naturnahen“ Idyll, das uns BMW auf der IAA 2013 präsentierte: zwitschernde Vögel, grüne Wiesen, kleine Ortschaften, kein Motorenlärm, kein Stau und kein Stress. Und absolut kein Bezug zur Realität, damals nicht und heute – zehn Jahre später – auch nicht. Außer einer Sache vielleicht, die schon damals, im sich neigenden Simulator, Potenzial hatte: die Beschleunigung.
Im BMW i3 oder, in meinem Fall, im Honda E, dominiert der lautlose Antrieb die ersten elektrischen Meter. Primär deshalb, weil es kein klassisches Getriebe gibt, mit Drehmomentwandler oder manueller Kupplung. Einerseits schade, weil Schalten macht Spaß, andererseits wahnsinnig entspannend. So sanft und souverän fährst du sonst nicht mal im Maybach an. Ein Leben, befreit von der Diktatur des Gang- oder Fahrstufenwechsels. Gleichzeitig kriegst du ein Ansprechverhalten, das dem eines Porsche GT-Modells gar nicht so unähnlich ist, vorausgesetzt, du fährst es permanent im optimalen Drehzahlbereich.
Ganz frisch: Der Honda E bei der Abholung.
Ganz frisch: Der Honda E bei der Abholung.
Klassiker: Das New-Car-Face.
Klassiker: Das New-Car-Face.
Von null auf 50 km/h vergehen selbst beim moderat motorisierten Honde E (155 PS) nur ein bisschen mehr als zwei Sekunden. Zur Einordnung: Da müht sich auch ein BMW M3 ab, dem Honda auf den ersten Metern zu folgen – selbst dann, wenn ich nur mittelmäßig motiviert losfahre. Das sollte reichen.
Erkenntnis #2: So langsam war ich noch nie.
Ja, das scheint ein Widerspruch zu Erkenntnis #1 zu sein, aber stopp, das ist es nicht. Aber das Fahren mit einem Elektroauto außerhalb der Stadt ist für mich immer auch ein Effizienz-Game, das ich gewinnen möchte. So wenig Stromverbrauch wie möglich. Fuhr ich früher auf Landstraßen auch gern mal, hust, schneller, kann es heute passieren, dass ich außerhalb geschlossener Ortschaften wirklich nur 100 fahre – oder auch mal langsamer. Es heißt ja auch nicht: „Minimum 100 km/h“, sondern „maximal 100 km/h“. Und ja, es passt so gar nicht zu meinem früheren Verständnis: „Wo 50 gilt, fahr ich immer 60!“
Werde ich etwa alt? Oder vernünftig? Ich vermute ja, dass die Abstinenz eines Motorengeräuschs eine friedensstiftende Wirkung hat. Zumindest bei mir. Ich rege mich immer noch oft über andere Verkehrsteilnehmer*innen auf, aber bei weitem nicht mehr so wie früher, als der Auspuff meiner Autos noch ploppte und blubberte.

Bildschirme überall: Der Honda E hat auch für alle drei rückwärts gerichteten Spiegel Kameras verbaut.

Auf der Autobahn könnte der Honda knapp 150 km/h fahren, ausreichend schnell also. Aber auch darauf verzichte ich gern, die Reichweite fällt sonst schlechter aus als meine Kondition beim Joggen. Ein guter Kompromiss sind 120 km/h, häufig bin ich mit Tempomat 111 unterwegs. Früher hätte ich Fahrer*innen wie mich als Verkehrshindernis bezeichnet; heute bin ich froh, die Aggro-Phase überwunden zu haben. Mit der Entdeckung der Langsamkeit.
Erkenntnis #3: Strompreise sind ähnlich stabil wie Spritpreise.
Ärgerlich war sie, die Entwicklung der Strompreise in den vergangenen zwölf bis 15 Monaten. Vor allem für Menschen, die sich mühen müssen, über die Runden zu kommen. Dazu zähle ich nicht. Ein Privileg, dessen sich viele Leute nicht bewusst sind, wenn sie täglich BMW M2 oder andere übermotorisierte Sportwagen fahren und selbst mit einer Tankkarte noch über hohe Spritpreise mosern.
Zu Beginn meiner E-Auto-Karriere Anfang 2022 konnte ich ohne Abo oder Vertrag für 33 Cent pro kWh an den Ladesäulen der N-Ergie in Nürnberg laden. An N-Ergie-Schnellladern waren es 39 Cent pro kWh. Daraus wurden im Zuge des russischen Überfalls auf die Ukraine und der steilen Achterbahnfahrt der Strompreise dann 39 Cent für AC- und 45 Cent für DC-Laden.
Und so ging es dann gefühlt monatlich weiter nach oben. Die letzte Preiserhöhung der N-Ergie erfolgte im Januar 2023: Jetzt sind wir bei sage und schreibe 62 Cent für AC-Laden und 75 Cent für DC-Laden – pro kWh. Lächerlich. Deshalb habe ich ein Abo bei EnBW, Europas „größtem Ladeinfrastrukturanbieter“, abgeschlossen. Für fünf Euro im Monat lade ich durchgehend für 49 Cent pro kWh an EnBW-Schnellladern. Immer noch relativ teuer, aber im Vergleich zum N-Ergie ein Schnäppchen.
Tankt Erneuerbare: Angeblich liefern nahezu alle Ladesäulen grünen Strom.
Tankt Erneuerbare: Angeblich liefern nahezu alle Ladesäulen grünen Strom.
Frontlader: Der Honda E hat den Ladestecker vorn - praktischer als man denkt.
Frontlader: Der Honda E hat den Ladestecker vorn - praktischer als man denkt.
Günstige Preise adé: Mittlerweile zahlt man oft mehr als 50 Cent pro kWh an AC-Ladern.
Günstige Preise adé: Mittlerweile zahlt man oft mehr als 50 Cent pro kWh an AC-Ladern.
Erkenntnis #4: Im Unterhalt ist das E-Auto günstiger.
100 Kilometer kosten mich aktuell bei einem Sommerverbrauch von ca. 17 kWh rund 8,50 Euro. Im Winter verbraucht der Honda-E mindestens 20 kWh/100 km, was dann fast 10 Euro auf 100 Kilometer ergibt. Mit dem Ford Fiesta ST und einem realistischen Verbrauch von 7,5 Litern kostet mich diese Strecke 12,75 Euro (E10-Preis: 1,70 Euro).
Allerdings kam mich der Ford Fiesta ST in der Versicherung fast 200 Euro im Jahr teurer, war anders als E-Autos nicht von der Kfz-Steuer befreit und musste jedes Jahr zum teuren Service. Ich verweise hier an dieser Stelle gern nochmal auf das Reinfall-Autohaus Kuttendreier in München, das mehr als 600 Euro für einen Ölwechsel und eine kleine Inspektion haben wollte.
Die erste Servicerechnung meines Honda: 128,90 Euro, ein Fünftel des Ford-Preises. Und dafür musste ich dem Service-Menschen bei Honda anders als bei Ford nicht erst erklären, dass ich einen Service für einen Kleinwagen möchte, nicht für einen Porsche Cayman GT4.

Viel Schnickschnack, aber geringe Unterhaltskosten: Der erste Service kostet rund 130 Euro.

Erkenntnis #5: Zurück zum Verbrenner? Sag niemals nie!
Beim Service lief trotzdem nicht alles rund, aber das ist ein Thema für einen anderen Tag. Dafür erspähte ich bei meinem Nürnberger Autohaus einen alten Bekannten: einen Honda Civic Type R FK8, ein Auto, das ganz lange bei mir ganz oben auf der „Haben-Will-Liste“ stand. Schnell ging ich die Vorteile im Kopf durch. Wilde 320 PS, Schaltgetriebe, Rennwagen-Performance mit Raumschiff-Look – und, wohl das Wichtigste: 600 Kilometer Reichweite oder mehr mit einer Tankfüllung.
Die niedrige Reichweite vieler Elektrokleinwagen, kombiniert mit schwacher Schnellladeleistung, ist für mich auch nach anderthalb Jahren noch ein riesiges Ärgernis. Sowohl auf der „Langstrecke“ von Nürnberg nach München, wo im Winter auf 180 Kilometer schon mal zwei schnelle Ladestopps nötig werden, als auch beim „Kurz-mal-anstecken-wollen“ im Supermarkt.
Viele Kleinwagen laden zwar mittlerweile schneller als die mickrigen 50 kW (die in 90 % der Ladestopps nicht mal erreicht werden) des Honda E. Aber so richtig schnell sind auch 70 oder 80 kW pro Stunde nicht, wie es die Konkurrenz in Form von Opel oder Fiat kann. Das normale AC-Laden kann man beim aktuellen Preismodell der Nürnberger N-Ergie eh vergessen, da lade ich dank EnBWs M-Tarif günstiger schnell.
Laderomantik in Greding am 50-kW-Lader
Laderomantik in Greding am 50-kW-Lader
Bei kaltem Wetter schafft Honda E kaum mehr als 30 kW Ladeleistung
Bei kaltem Wetter schafft Honda E kaum mehr als 30 kW Ladeleistung
An diesem Morgen waren es minus 2 Grad
An diesem Morgen waren es minus 2 Grad
So gesehen ist das Laden prinzipiell kein Ärgernis, aber Tanken war früher halt doch einfacher, schneller und irgendwo auch zuverlässiger. Unwahrscheinlich, dass E-Autos die Tanksäulen zuparken, wie es die Verbrennerfahrer*innen bei den städtischen Ladesäulen nach wie vor häufig tun. Oft aus Frust, weil kein anderer Parkplatz mehr frei ist; oft, weil es ihnen einfach egal ist und manchmal auch – so mein Eindruck – einfach deshalb, um E-Auto-Fahrer*innen eins auszuwischen.
Außerdem: Die Infrastruktur ist die Lösung – aber nicht die für Autos.
Das bringt mich zu einem interessanten Resümee: Noch nie bin ich so selten Auto gefahren wie mit dem E-Auto (gerade einmal 8.000 Kilometer in 1,5 Jahren), und noch nie war ich beim Fahren so unaufgeregt, obwohl der Spaß dabei im Honda E schon an den Fiesta ST rankommt – zumindest in der Stadt. Ich wohne mittlerweile aber auch wieder in Nürnberg, nachdem ich dreieinhalb Jahren den falschen Versprechen der Münchner Blase aufgesessen bin und gefühlt 30 Tage im Jahr auf dem Mittleren Ring während des Pendelverkehrs verbracht habe.
Nürnberg hat einen gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr, verglichen mit dem Desaster in München. Daher und dank des 49-Euro-Tickets verzichte ich mittlerweile oft auf das Auto, nehme U-Bahn, Bus, Tram oder S-Bahn. Einfach, weil es – bei passendem Wohnort – die entspannteste Lösung ist. 
Und man am Ziel nie einen Parkplatz suchen muss, während der Fahrt am Handy rumdaddeln kann, ein Buch lesen und merkt, dass Autofahren in der Stadt einfach nur unfassbar anstrengend ist. Daran ändert auch ein Sportwagen nichts; nur, dass sich dann vielleicht ein paar Teenies mehr umdrehen als nach einem E-Bus.

Ein E-Auto nur für die Stadt? Es gibt Sinnvolleres.

Dennoch bleibt festzuhalten, dass in Deutschland das Auto einen irrwitzigen Sonderstatus genießt, so wie es auch lange Zeit einen Sonderstatus bei mir genossen hatte. Autos sind omnipräsent, Blechhaufen in jeder Straße aufgereiht, kaum Platz für Fußgänger*innen. 
Dass es auch anders geht, habe ich auf Reisen nach Südostasien gesehen. Ein Land sticht hier mit einem besonders, sorry, geilen ÖPNV heraus. Dort braucht man kein Auto, man will eigentlich auch keins. Mehr dazu bald.

Das könnte dir auch gefallen:

Back to Top